Philippians 2

Text: Philipper 2,1-5 Nachdem der Apostel im Beschluß des vorigen Kapitels die Philipper ermahnt hatte, sie sollten ihm Freude machen mit einem dem Evangelio würdigen Wandel und unerschrockenem Kämpfen über demselben; so fährt er nun fort, sie auf das Beweglichste zu bitten, seine Freude vollkommen zu machen durch Einigkeit im Geist, und durch Demut und Christi Sinn. Seinem Zuspruch bereitet der Apostel auf eine Art den Weg, wobei sie Herz und Gehorsam ja nicht sollten entziehen können. Denn er fordert sie auf: da könnt ihr zeigen, was eine Ermahnung in Christi Namen bei euch gilt; wenn es tröstliche Zeugnisse von der Liebe GOttes gibt, die euer Herz erweichen, wenn ihr als teilhaftig des Geistes mit dem Haupt und Gliedern in gesegneter Verbindung steht; mithin ist es im Grunde so viel, als ob er sie im Namen des dreieinigen GOttes beschwören wollte. Das nun zum Grund gelegt, erweckt er ihren lauteren Sinn, nach welchem sie auch in herzlicher Liebe und grundweichem Erbarmen gegen einander stehen; und dann hat er Mut, seine große Bitte vorzubringen: Erfüllt meine Freude. Wie alle andere Freude, so soll auch unsere Amtsfreude immer völliger werden. Und dazu hilft nichts sicherer, als wahre Einigkeit. Aus einem Geist wird man eines Sinnes und einhellig; aus einer Seele kommt man zu gleicher Liebe und einträchtigem Wesen, d. i. man hat und erlangt vom Evangelio und dem würdigen Wandel darnach einerlei Einsicht und Überzeugung; dabei kann man auch von seinem Stand und damit verbundenen Vorzügen herabsteigen, und auf gleiche Liebe kommen; auch den Unterschied des Naturells, die daraus entstehenden ungleichen Neigungen so voreinander verbergen, daß Trennung verhütet und Einhelligkeit befördert wird. Hingegen die Herzenshärtigkeit, die auf ihrem Recht besteht, veranlaßt Zank; die Eigenliebe die ihren eigenen Einsichten zu viel traut, mit Anderer gliedlicher Handreichung anzustehen, für zu gering hält, wird eitler Ehre geizig. Wer sich über Andere erhebt, meint auch, Andere müssen sich nach Ihm richten, tut, als ob an ihm, seinen Rechten und deren Behauptung am meisten gelegen wäre. Wer durch Demut den Anderen höher achten lernt, als sich selbst, dem wird es auch leicht, des Nächsten Nutzen dem seinen vorzuziehen. – Von seinem Sinn, oder von der bei seinen Worten und Werken führenden Absicht, hat der liebe Heiland selbst manchen Aufschluß verliehen, und das Weitere ist aus allen seinen in der evangelischen Geschichte beschriebenen Schritten abzunehmen. Diesen Sinn zuvörderst an Christo lieb gewinnen und gut heißen, sodann aber auch von Ihm zu lernen begehren, und unter wirklichen Schickungen GOttes anziehen; aber auch beim Leiden darüber nicht verdrossen werden, heißt gesinnt sein, wie JEsus Christus auch war. Text: Philipper 2,6-11 Der Apostel verleiht uns einen wichtigen Blick über den ganzen Lauf Christi vom Vater durch die Welt wieder zum Vater, oder über seinen gesamten Eingang durch Leiden zur Herrlichkeit, damit man daraus seinen Sinn erkenne und liebgewinne, und selbigen auch anzuziehen desto williger werde. Der Sohn GOttes heißt hin und wieder das Ebenbild GOttes, der Glanz seiner Herrlichkeit, es heißt von Ihm, Er habe bei dem Vater eine Herrlichkeit gehabt, ehe denn die Welt war. Da nun dieser eingeborene Sohn GOttes in das Fleisch gekommen, so kam auch in seine heilige Menschheit das Ebenbild des unsichtbaren GOttes, und konnte bei seinem Wandel in der Welt von sich sagen: Wer mich sieht, der sieht den Vater. Es gab auch solche unter der Lehre und dem Zug GOttes bereitete Herzen und geöffnete Augen, die bei seinem Wohnen unter uns an ihm eine Herrlichkeit sahen als des eingebornen Sohnes vom Vater. In dieser seiner Gottesgestalt war er auch GOtt gleich; konnte sagen: Alles, was der Vater hat, das ist mein. Wenn Er sich also, als GOtt gleich, beständig aufgeführt, offenbar erwiesen, und daher sich auch von Anderen dafür hätte bedienen, und ausrufen lassen; so wäre es kein Raub gewesen: denn Er hätte sich damit nicht einer fremden Sache ungebührlich angemaßt, sondern nur das Seine gebraucht und geoffenbart. Aber eben dessen enthielt Er sich, weil er nicht das Seine suchte, sondern uns zu suchen und selig zu machen gekommen war. Und Er enthielt sich dessen mit einem so abgeschiedenen Sinn, als ob es ein Raub gewesen wäre, wann Er in der Würde und Ehre, GOtt gleich zu sein, nur geschwind sich und seine Herrlichkeit gesucht hätte, ohne auf uns und unsere Erlösung von der Ungerechtigkeit zu sehen. Denn so sind wir in die Ungerechtigkeit geraten, daß unsere ersten Eltern GOtt gleich sein, und das als einen Raub wider ihres Schöpfers Gebot an sich reißen wollten. In dieser ihrer Ungerechtigkeit werden wir nun Alle geboren, daß wir nur das Unsere suchen, und uns in wahren oder falschen, wirklichen oder eingebildeten Vorzügen so räuberisch verhalten, als ob uns kein Bedacht auf den Willen GOttes, keine Liebe unseres Nächsten darin Einhalt tun dürfte. Das Kind schon reißt mit Wut an sich, was es verlangt; und beraubt ein Anderes neben sich so begierig, als der größte Weltbezwinger, und kehrt sich an keine Billigkeit. Davon nun uns zu erlösen, und uns auf die Spur zu bringen, wie unter Verschmähung unserer selbst das Bild und die Herrlichkeit GOttes erst wieder nach und nach in uns aufgerichtet werden müsse, ist dieser ganze Lauf unseres lieben Heilands verordnet worden. An dem Ausdruck: Er äußerte sich selbst , nehmen Manche Anlaß, unseren lieben Heiland während seines Wandels in der Welt als einen bloßen Menschen vorzustellen. Aber das stimmt weder mit der übrigen Schrift und der Beschreibung Seines Lebens ein, noch bringt es auch dieser Ausdruck mit sich. Denn eben weil Er sich selbst geäußert und ausgeleert hat, so muß ja etwas dagewesen sein, dessen Er sich so begeben hat, nämlich eben die vorgenannte göttliche Gestalt, oder die Ihm zustehende Herrlichkeit, GOtt gleich zu sein; dessen enthielt Er sich freiwillig, stellte sie außer allem Gebrauch; und was Er zuweilen davon in Worten und Werken offenbarte, das geschah nicht in eigener Willkür, nicht in dem Sinn, Seine Ehre darunter zu suchen, sondern so, wie es Ihm der Vater zeigte, wie Er Gebot und Vorschrift dazu vom Vater hatte. Ein bloßer Mensch sein, und als ein solcher durch die Welt etliche und dreißig Jahre wandeln, wäre mehr eine Einrichtung des himmlischen Vaters und ein Gehorsam des dazu ausersehenen Menschen = Sohnes gewesen; aber keine Entäußerung, kein Ausleeren und Enthalten von dem, worin man gleichwohl stand, könnte man dabei gedenken. Aber das GOtt im Fleisch geoffenbart, daß der Sohn GOttes in der Gestalt des sündlichen Fleisches gesandt war, das machte bei Christo zu einem solchen Sinn und dessen beständiger Behauptung Gelegenheit, wobei ein fortwährendes Entäußern, nicht nur ein Verbergen oder Verborgenhalten vor Anderen, sondern eine innere Abgeschiedenheit vorging, um welcher willen der Apostel anderswo sagte: Er hatte nicht Gefallen an sich selbst. Die angenommene Knechtsgestalt ist nicht die angenommene menschliche Natur selbst: denn die menschliche Natur hat Er noch, und wird sie in Ewigkeit behalten; die Knechtsgestalt aber hat Er in seiner Erhöhung abgelegt. Mithin machten die an seiner menschlichen Natur haftenden besonderen Niedrigkeiten, Armut, Arbeit, Untertänigkeit, der niedrige Sinn, nicht sich dienen zu lassen, sondern selbst zu dienen, auch unter seinen Jüngern Knechtsdienste zu tun, ihnen die Füße zu waschen, wann es zu ihrer Herumholung aus dem Irrtum ihres Weges nötig war, diese Knechtsgestalt aus. – Auch der Ausdruck: ward wie ein anderer Mensch , heißt ja nicht: Er war ein bloßer Mensch. Es heißt überhaupt nicht: er war, sondern Er ward, Er hat sich in die Gleichheit der Menschen gegeben, nämlich durch seine freiwillige Entäußerung. Es war aber doch zugleich etwas in Ihm und an Ihm, um deswillen Er mit Grund zu den widersprechenden Juden sagen konnte: Ehe denn Abraham war, bin ich. Wäre der Heiland während seines Laufs in der Welt ein bloßer Mensch gewesen, so würde Er gewiß den Unglauben der Menschen nicht durch dergleichen Reden gereizt haben. In die Gleichheit der Menschen hat Er sich freilich begeben, um in Allem versucht zu werden, gleichwie sie, um Mitleiden zu lernen mit denen, die versucht werden. In Seinem ganzen Betragen ließ Er sich als Mensch erfinden: Er hat gegessen, getrunken, geschlafen, ist müde geworden, hat in Freude und Leid, im Jammern, im Lob GOttes abwechselnde Stunden gehabt; ist unter die Leute gegangen, man hat Seiner Freundlichkeit halber leicht ein Vertrauen zu Ihm fassen können; zu andern Zeiten war Er auch gern wieder allein, und in der Stille usw. – Er erniedrigte sich selbst , das geht noch tiefer hinunter. Ein König, der sein Reich niederlegte, äußerte sich damit selbst, aber er könnte sich daneben sonst noch genug Vorzüge und Freiheiten vorbehalten. Aber unser lieber Heiland gab sich unter Alles hinunter. Nicht nur der erste Schritt, nicht nur das einmalige: Ja, Vater, siehe ich komme! Ging aus lauterem Gehorsam, sondern mit jedem Schritt lernte Er Gehorsam. Auch seinen zwar unsündlichen, doch mit Grauen vor dem Leiden behafteten menschlichen Willen brachte Er zu der Unterwürfigkeit unter den Willen seines Vaters. Und darin hielt Er aus, bis Alles an Ihm erfüllt war, was von Ihm beschlossen und geschrieben ist. Auch vom Kreuz stieg Er nicht herab, sondern starb am Kreuz, und ließ seine Verklärung, die Offenbarung seiner Gerechtigkeit bloß auf seinen himmlischen Vater ankommen. Der Sohn GOttes war von Anfang zum Erben über Alles gesetzt, und in dieses angeborene Recht zum Trone trat auch die heilige Menschheit Christi ein, gleich bei seiner Empfängnis und Geburt. Aus dem Grund bittet auch der Heiland um seine Verklärung mit der Klarheit oder Herrlichkeit, die Er bei dem Vater hatte, ehe denn die Welt war ( Joh. 17, 5) . Mithin hat Er sich freilich Seine Erhöhung nicht verdient durch Seine Erniedrigung. Aber Seine vorhergegangene Erniedrigung und der darin bewiesene Gehorsam war so ein wichtiger Dienst zur Verklärung GOttes auf Erden, daß GOtt gleich an die verordneten Leiden auch die Verheißung Seiner Erhöhung hängte ( Jes. 53) , und der Heiland deswegen jedesmal bei Verkündigung Seines Leidens auch die Hoffnung der Herrlichkeit hinzutat, auch nach dem Antritt Seiner Erhöhung immer noch in Verbindung mit einander davon sprach: Mußte nicht Christus solches Leiden, und in Seine Herrlichkeit eingehen. Ich war tot, und siehe ich bin nun lebendig in die ewige Ewigkeiten. Das Lämmlein ist würdig zu nehmen Preis und Ehre: denn es hat sich schlachten lassen. Bei der Erniedrigung hieß es immer: sich selbst , um den Gehorsam und die Willigkeit des Geistes anzuzeigen. Jetzt bei der Erhöhung heißt es immer: GOtt hat Ihn erhöht, lebendig gemacht, gesetzt zc., um Ihn darunter als den Anfänger und Vollender des Glaubens, als den Durchbrecher auszuzeichnen auf dem Glaubenswege, auf welchem wir nun zu GOtt kommen müssen. – Der Name über alle Namen , den er in Seiner Erhöhung bekommen, ist nicht eigentlich der Name JEsus, denn den trug Er ja schon von seiner Beschneidung an. Aber das für alle Sünder Heilwertige, die Kraft, selig zu machen, bekam dieser Name aus der vorhergegangenen Erhöhung mit welcher der Heiland auch in die Macht eintrat, selig zu machen immerdar. Eigentlich aber heißt einen Namen bekommen, der über alle Namen ist, eben so viel, als was die Apostel anderwärts so ausdrücken: Über Alles gesetzt werden, was genannt mag werden in dieser und in der zukünftigen Welt. Unter dem Namen JEsu wird nun die ganze Person unseres durch das Leiden zur Herrlichkeit eingeführten Herzogs der Seligkeit auch nach ihren amtlichen Verhältnissen angedeutet. Und so wird auch durch das Kniebeugen nicht nur ein Zeichen äußerlicher Ehrerbietung auferlegt, sondern völliges Anerkennen Seiner Herrlichkeit und Unterwürfigkeit unter Ihn angedeutet. Das geschieht im Himmel von Engeln und allen Geistern der vollendeten Gerechten. Die auf Erden sind, stehen in der Mitte, als auf der Wegscheide, daß sie sich im Glauben und Liebe zu dem HErrn JEsu so fassen, und mit Freuden zu denen im Himmel hinüberkommen können; aber auch GOttes Gnade und den Gehorsam gegen dem Evangelio so versäumen, und darüber mit Schrecken hinunterfallen können zu denen unter der Erden, denen ein ungewisses schreckliches Warten des Gerichts eingejagt ist, und so von Zeit zu Zeit erneuert wird. Alles läuft zuletzt da hinaus, daß der Vater geehrt werde in dem Sohn über dem – den Menschen bereiteten Heil. O wie tut es einer redlichen Seele so wohl, wenn sie klein ist, das JEsus ihr groß werde; wie gern gibt sie sich hin, einen gleichen Gang zu tun, und unter Gemeinschaft der Leiden und Ähnlichkeit des Todes JEsu in die Hoffnung der Herrlichkeit einzudringen! Alles Hohe außer dem wird geniedrigt werden, alle auf das Verderben der Erde hinauslaufenden Grundsätze, wobei man das Seine sucht, und nicht auf den Anderen sieht, werden gestürzt werden. Die Sanftmütigen werden das Erdreich besitzen. Hallelujah! Text: Philipper 2,12-16 Nach dem vollständigen Zeugnis von dem Sinn Christi unter seinem ganzen Lauf kommt nun der Apostel wieder auf das Ermahnen zu einem ganzen Ernst im Geschäft seiner Seligkeit und zu einem unsträflichen Verhalten um derer willen, denen zum Zeugnis GOtt sie hingestellt habe, auch zu treuer Bewahrung des angenommenen Worts, dem Apostel selbst zum fröhlichen Ruhm auf den Tag Christi. Die Gegenwart eines so geist = und gnadenreichen Apostels konnte freilich viel tun, wie noch jetzt Auge und Hand eines treuen Hirten oder wackeren Gefährten. Aber doch muß eines Jeden innerer Ernst noch eine tiefere Wurzel haben, daß man auch bei Abkunft eines Lehrers, bei Abgang solcher Anstalten, die einem sonst zur Förderung sind, nicht zurückkommt. Wie alle die Ermunterungen in der Schrift: ringt darnach, trachtet, überwindet zc. so ist auch dies Wort, schafft, daß ihr selig werdet, anzusehen. Nämlich nicht als ob wir und unsere Seligkeit erst bereiten müßten, sondern das Kommen auf den himmlischen Beruf, und das Durchbrechen durch so viele unserem Heil gefährliche Hindernisse erfordert einen solchen anhaltenden Ernst, wobei man aus dem Seligwerden sein ganzes Werk macht. Darum legt es die Schrift, allen Mißverstand zu verhüten, oft so neben einander hin, z. B. Mt. 11, 12 . Das Himmelreich dringt mit Gewalt herein, und die ihm Gewalt antun, reißen es zu sich; oder hier: Schafft, daß ihr – denn GOtt ist es, der in euch wirkt. Dieser ganze Brief ist sonst so in guter Zuversicht geschrieben, und muntert zum fröhlichen Leben im Willen GOttes auf. Aber der Gefahr, worin sich unser Heil befindet, so lange wir noch im Leibe der Sünden und des Todes und unter den Versuchungen der Welt wohnen, soll man nie vergessen, und daher sich nicht über Furcht und Zittern hinaus dünken. Man hört heutigen Tages oft den Einwurf, der Fleiß der Gottseligkeit, der Eifer in guten Werken werde niedergeschlagen, wenn man die Menschen und ihr Vermögen so herabsetze, wenn man vom natürlichen Unvermögen zu allem Guten, von der tödlichen Schwachheit aus der Erbsünde, von der Notwendigkeit der Gnade und den Wirkungen des Geistes GOttes zu viel mache. Aber hier sieht man gerade das Gegenteil; eben zu der dringendsten Ermahnung: schafft euer Heil, nimmt der Apostel den Beweggrund von GOttes vielvermögender Kraft und Wirkung her. Bei jedem Herzen, das aus der Wahrheit ist, wird sich es auch der Erfahrung nach so finden, daß, je tiefer es seine Untüchtigkeit zu allem Guten, seinen schweren Abfall, die große Kluft zwischen GOtt und einem – von seinem Leben entfremdeten Menschen empfindet, je sorgfältiger wird es sein, die Wirkungen GOttes und seiner Gnade zu beobachten, und ihnen ihre Kraft zur Wieder = Erneuerung in das Bild GOttes an seinem Herzen zu lassen. Man kann keinen reineren Ausdruck vom Geschäft unseres Heils finden, als der Apostel hier führt. GOtt wirkt, wir könnten nichts ohne Ihn. Wir kommen auf seinen Zug durch eine fremde Kraft dahin, wohin wir aus eigener Vernunft und Kraft nimmermehr kämen. Aber GOtt wirkt das Wollen . GOtt zwingt und überwältigt uns mit Seiner Wirkung nicht, wie einen Klotz. Der Mensch kann nichts ohne GOtt, und GOtt will nichts ohne den Menschen, und dessen erwecktes Wollen. Mit Worten läßt sich es freilich nicht ausmachen, wie GOtt seine Wirkung mäßigt, daß sie kräftig genug ist, und doch dem Menschen Prüfung seiner Neigung und Liebe zum Licht übrig bleibt; oder auch, warum die Gnade an Einem so kräftig werde, an dem Anderen nicht? Wer in gehöriger Furcht und Zittern steht, wird sich nicht zuviel in solche Fragen einlassen. Am Vollbringen hängt Fortgang, Sieg, Beständigkeit, auch bei veränderten Umständen im Äußeren. Je mehr dem Wohlgefallen GOttes und Seiner freien Gnade eingeräumt wird, je heilsamer wird die Furcht , sie nicht vergeblich zu empfangen, erweckt und unterhalten. Soviel der Mensch noch im Vertrauen auf sich selbst steht, soviel ist ihm das, was er vom freien Wohlgefallen GOttes hört, noch ein Stein des Anstoßes; so viel er in GOtt wahrhaftig ruht, so kann er das, was ihm vorher ein Stein des Anstoßes gewesen, nehmen, und zum sanften Hauptkissen machen, und mit Jakob die Himmelsleiter sehen. So gewiß GOtt nichts wider Seine Ehre tut, so gewiß tut Er nichts wider unser Heil. Steckt Mancher lange Zeit zwischen Tür und Angel, daß er sagen muß: Wollen habe ich wohl, aber Vollbringen finde ich nicht; so gehen ihm endlich doch die ersten Stufen der gebrochenen Freiheitsbahn auf. Den Abweg, auf den man bei Furcht und Zittern könnte hinausgetrieben werden, desto gewisser zu verhüten, heißt sie nun der Apostel Alles ohne Murmeln und Zweifeln tun . Zweifeln ist wider den Glauben, Murmeln wider die Liebe. Wer Ernst im Geschäft seiner Seligkeit brauchen, und den Betrug der Sünde vermeiden will, hat sich zu hüten, daß er an der Liebe GOttes nicht zweifelhaft werde, und auch die Schuld seiner Schwierigkeiten nicht mürrischer Weise bei Anderen suche. Je mehr man aber im Licht und Liebe steht, desto eher kann man auch ohne Tadel und lauter bleiben, daß man von Anderen nicht Schaden nimmt durch Eingeben in ihren Sinn; aber auch Anderen durch mürrische Strenge nicht Schaden tut. Durch Annahme des göttlichen Worts wird man von der Welt und ihrem verkehrten Geschlecht errettet, und durch Halten an dem Wort des Lebens bleibt man vom Weltsinn geschieden. Der Anderen Rückfall hätte zwar des Apostels Amtstreue und den davon zu erwartenden Lohn nicht vernichtet; doch ist die Freude völliger, wenn man auch an der Anderen Beharrlichkeit Freude und Wonne haben kann. Text: Philipper 2,17-24 Der Apostel bezeugt, wie er auch gefaßt sei, wenn es mit seiner Gefangenschaft dahin ausschlagen sollte, daß er GOtt mit seinem Tod preisen dürfte, und rüstet auch die Philipper auf diesen Fall aus; wiederholt aber doch seine noch anhaltende Zuversicht, daß er ihnen wieder werde geschenkt werden, wovon er sie durch seinen rechtschaffenen Sohn Timotheum ungesäumt wollte benachrichtigen lassen. Seinen ihm vor Augen schwebenden Tod heißt der Apostel mehrmals ein Geopfertwerden, nicht nur weil es ein gewaltsamer und mit Blutvergießen verbundener Tod war, sondern weil darin Alles GOtt zu preisen eingerichtet war. Und so heißt er auch die Ursache seiner Bande, und des etwa daraus erfolgenden Todes, den Gottesdienst, oder die priesterliche Bedienung, die er bei ihrem Glauben gehabt, und wodurch er sie zu einem Eigentum und Opfer GOttes ausgerüstet habe. Die oben Kap. 1,25 bezeugte Zuversicht, daß er noch weiter im Fleisch bleiben werde, kam nicht daher, daß er das, was er gern geglaubt, sich leicht überredet, und von den Gedanken des Todes als von einem verdrießlichen Bild sich bald abgewendet hätte. Nein, er hat sich auch gern das Gegenteil vorgestellt, und seine Ausrüstung auch auf selbigen Fall geprüft. Auch von seinem Tod besorgt er sich keinen Schaden für das Reich GOttes, sondern rechnet, GOtt könne ihn zur Bestätigung des Glaubens und also Vermehrung der Freude in manchem Herzen segnen, und um solcher dabei kund gewordenen Gotteskraft und Erweis von dem Beistand des heiligen Geistes würden sich auch die Philipper freuen, und besonders ihm seinen im Sterben gefundenen Gewinn wohl gönnen. Noch jetzt versüßt beim Abscheiden begnadigter Kinder GOttes die an ihnen kund werdende Gnade alle Schmerzen über ihren Verlust merklich, und läßt keinen Wunsch, sie wieder zurück zu holen, aufkommen. Übrigens lebte Paulus auch nach diesem Betracht im Glauben des Sohnes GOttes, daß er all sein Künftiges in dessen Hand stellte, und in das Weitere hinaus nicht gerade Gewißheit zu haben verlangte; sich es auch vor Anderen gern anspüren ließ, daß ihn GOtt durch Verborgenhalten des Zukünftigen so gut im Glauben übe, als jeden andern Pilgrim. Es zeigt eine gründliche Bescheidenheit und Nüchternheit des Gemüts an, von nichts mit mehr angemaßter Gewißheit zu sprechen, als einem von Oben verliehen ist. So nötig ihm selbst Timotheus war, so gern wollte er ihn doch entbehren, um die Philipper zu erquicken. Und das zu befördern, gibt er dem Timotheo das gute Zeugnis: es darf euch sein, als käme ich selbst, so gar meines Sinnes ist er. Wie er aber schon oben Kap. 1, 15 einen merklichen Unterschied unter den Brüdern, womit er sich umgeben sah, zu machen genötigt war, so führt er hier noch eine empfindlichere Klage, die anzudeuten scheint, daß auch bei denen, die sonst noch im Grund der Liebe gegen ihn standen, sich doch ein Mangel der nötigen Selbst = und Weltverleugnung äußerte. Damit hat er sie aber doch nicht weggeworfen, noch für Feinde des Kreuzes Christi erklärt, sondern wie der HErr JEsus sagen kann: welche ich lieb habe, die unterweise und züchtige ich; so kann ein – im Geist Christi stehender Arbeiter auch dergleichen Gebrechen merken, und je und je ein freimütiges, aber liebreiches Zeugnis davon ablegen. Da sollte man dann nicht so überzärtlich gewöhnt sein, daß man nur immer das Gute ins Auge faßt, und die Gebrechen zugedeckt haben wollte. Ja, das, was Jeder selbst als vom Fleisch hinterstellige Schwachheit an sich erkennt, was er als seine Last an sich beseufzet, das sollte er auch an Anderen mit vertragsamer Liebe zu tragen bedacht sein. Aber was so tief sitzt, daß man für sich so leicht nicht darauf käme, da kann ein Liebhabers = Schlag einem wohl tun. Was man um Christi und seiner Sache willen oft sollte fahren lassen, wie man über der Verteidigung einer guten Sache aushalten, wie man einen guten Streiter JEsu Christi unterstützen sollte, daß er nicht sagen müsse, sie verließen mich Alle; das ist nicht allemal so offenbar, und darum braucht es oft eine Anmahnung. Seine gehoffte Befreiung begehrte der Apostel auch nicht zur Ruhe und Untätigkeit anzuwenden, noch zu rechnen: Jetzt habe ich das Meinige getan, und genug darüber ausgestanden; sondern wie er auch in seiner Gefangenschaft nicht müßig war, so dachte er auch bei wieder erlangter Lebensfristung kein anderes Leben zu haben, als das er ihm Dienst des HErrn JEsu verzehren könnte. Und so ist es ihm gelungen, seinen Lauf zu vollenden mit Freuden. HErr JEsu! Laß es mir auch so gelingen. Text: Philipper 2,25-30 Er macht ihnen von Epaphrodito und seinen Umständen eine solche Beschreibung, daß sie aus seiner Rückkunft zu ihnen desto mehr Glaubensstärkung ziehen, und ihn mit desto fröhlicherem Lob GOttes aufnehmen möchten. Die Liebe nimmt gar einen zarten Bedacht auf das, was Anderen eine Förderung im Glauben machen, oder doch einen Stein des Anstoßes heben kann. Den Epaphrodito hatten die Philipper zu Paulo gesandt, ihm durch eine überschickte Liebessteuer und sonstige Handreichung seine Gefangenschaft zu erleichtern ( Kap. 4, 18) . Paulus gibt ihm auch das Zeugnis, daß er an ihm nicht nur einen Gehilfen, der ihm den Glauben zu pflanzen beigestanden, sondern auch einen Mitstreiter, der auch unter den Trübsalen nicht müde geworden sei, gehabt; mithin die Philipper in ihrer Wahl, ihn zu ihrem Abgeordneten zu gebrauchen, gar nicht gefehlt haben. – Unter dem Verlangen des Epaphroditus nach seiner Rückkehr mag viel Natürliches gewesen sein; doch hat der Apostel darauf geachtet; wie man denn in gleichen Fällen des Anderen Willen ohne wichtigen Grund nicht hintertreiben soll. Überhaupt muß man von der Gnade nicht erwarten, daß sie uns über alle Abwechslungen hinüber in eine völlige Gleichmütigkeit über Alles setze. Denn sonst könnte GOtt durch äußerliche Schickungen weder wohl noch wehe tun. Es muß uns viel mehr auf unserem Lauf durch abwechselnde Umstände Alles offenbar werden, was in unserem Herzen ist. Die natürlichen und mit allen Menschen gemeinen Zufälle dieses Lebens demütigen oft mehr, als wenn Jemanden etwas Besonderes von Christi Schmach und Kreuz träfe. Unter Pauli eigenen Händen hat es mit dem Epaphroditus so weit kommen, und Paulus also seine sonstige Gabe, gesund zu machen, nicht zur Abwendung dieser Demütigung gebrauchen können. Bei aller guten Hoffnung des Zukünftigen halben, und bei aller daraus fließenden Geringschätzung seines Lebens kann es doch für ein Erbarmen und Wohltat gerechnet werden, wenn uns GOtt wieder aufrichtet. Des Glaubens Freudigkeit, wenn er sich auch der Trübsalen rühmt, und sein Leben selbst nicht teuer achtet, unterscheidet sich weit von einer in Naturkraft angenommenen Unempfindlichkeit. Paulus hatte aber doch den Abgang des Epaphroditus tief empfunden. Es ist ein Mißverstand, wenn man meint, man müsse Einmal wie das Andere ausgerüstet sein. Selbst in der heiligen Seele unseres lieben Heilandes hat es abwechselnde Empfindungen gegeben. So war es auch keine verwerfliche Anhänglichkeit an Menschen, wenn sich die Philipper über Epaphroditi Zurückkunft gefreut haben, sondern es war gliedliche Gemeinschaft am Leib Christi; und Paulus durch seine Ermahnung versichert sie wirklich des göttlichen Wohlgefallens darüber. O JEsu! Verborgenes Leben der Seelen, wer dich kennt, kann sein Leben in dieser Welt gering achten, ja hassen; damit er es bei Dir erhalte zum ewigen Leben.
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